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Von der Tel Aviv Pride zu Übernachtungen in Notunterkünften

Wir bei ROMEO wissen, wie heiß dieses Thema sowohl emotional als auch politisch ist. Wir sind eine Gay-Dating-App für Spaß, aber manchmal kommt das echte Leben dazwischen. Einer von uns, Eli aus dem Qualitätssicherungsteam, der schon seit sechs Jahren bei ROMEO ist, war letzte Woche mit Freunden bei der Tel Aviv Pride. Was er erlebt hat, war nicht nur eine Party, sondern etwas viel Intensiveres. Heute teilen wir seine persönliche Geschichte, direkt und ungefiltert, über Pride, Angst und die Stärke unserer Regenbogenfamilie in unsicheren Zeiten.

Meine Ankunft in Tel Aviv

Mit einer Gruppe cooler Leute sind wir aus Amsterdam abgehauen, um die diesjährige Tel Aviv Pride zu erleben – so wie wir das schon oft gemacht haben. Ich wusste, dass es vielleicht ein bisschen riskant sein könnte, aber ich wusste auch, dass die Pride-Organisatoren immer auf Sicherheit achten.

Da es bei unserer Reise um mehr als nur Party ging, haben wir auch die LGBT+-Open Houses in Jerusalem, Be’er Sheba und Haifa besucht. Diese Orte bieten Unterstützung für die Community, egal woher man kommt. Zusammenleben und Zusammenhalt sind hier in der Regenbogen Familie echt gelebt.

Stimmung vor der Pride-Party

Am Donnerstagabend, dem Tag vor der Parade, sind ein paar von uns auf eine Party in der Innenstadt von Tel Aviv gegangen. Viele Jungs ohne Hemd, gute Stimmung und offene Gespräche. Niemand wollte über Politik reden. Wir haben getanzt, getrunken und gelacht.

Ich bin am Freitagmorgen um halb drei von der Party gegangen, weil ich vor dem großen Tag noch ein bisschen schlafen wollte. Als ich zurück ins Hotel kam, hab ich mich mit einem Kumpel in die Lobby gesetzt. Bis dahin war alles wie in den Jahren davor, aber dann kam es anders.

Die Nacht, in der sich alles änderte

Plötzlich stürmte eine große Gruppe von Polizisten in die Hotellobby. Sie sagten uns, dass die Luftschutzsirenen losgegangen seien und sie die Notfallprotokolle befolgen müssten. Sekunden später piepsten alle unsere Handys mit einer Warnmeldung: „Bereitet euch auf eine erhebliche Bedrohung vor.“ Mehr nicht!

Im Foyer wurden immer mehr Leute. Niemand wusste so richtig, was los war. Einige von uns gingen in die Tiefgarage, die als Luftschutzbunker diente. Alle waren auf der Hut, versuchten aber, sich zu entspannen, soweit das ging.

Die Pride Parade wurde offiziell abgesagt. Aber am nächsten Tag herrschte in der Stadt immer noch eine seltsame Stimmung. Die Leute waren unterwegs, tranken Kaffee, gingen an den Strand. Es sah ganz normal aus. Aber irgendetwas in der Luft hatte sich verändert.

Wir waren in einer neuen Art von Realität. Einer, in der du vielleicht mit deinen Freunden zusammensitzt, was trinkst und plötzlich 90 Sekunden Zeit hast, um dich in Sicherheit zu bringen.

Leben zwischen Sirenen

Die nächsten paar Tage war das unsere neue Routine. Wenn der Alarm „Bedrohung erwartet“ sagte, hatten wir 10 Minuten Zeit. Wenn es echt und nah war, hatten wir 90 Sekunden. Normalerweise ging die Warnung 2–3 Mal pro Nacht los.

Unsere Gruppe hat einen Treffpunkt im Schutzraum festgelegt. Wir hatten ein System: Jeder musste auf eine Nachricht mit einem Daumen hoch antworten. So wussten wir, dass alle in Sicherheit waren, auch wenn wir nicht zusammen waren.

Ich fing an, einen Notfallrucksack mitzunehmen: Wasser, Snacks, ein Erste-Hilfe-Set, sogar Toilettenpapier. Ich schlief voll angezogen, bereit, jederzeit loszurennen.

Die Auswirkungen sind spürbar

Normalerweise war ich so schnell im Schutzraum, dass ich die Sirenen gar nicht hörte. Aber ich hörte die Explosionen, einige weit weg, andere näher. Irgendwie fühlte ich mich immer noch sicher.

Bis eines Nachts eine Rakete in der Nähe einschlug. Die Explosion war so heftig, dass Fenster zerbrachen. Alarmsirenen heulten auf. Staub strömte in den Schutzraum. Wir gerieten in Panik.

Wir wussten nicht, ob das Gebäude getroffen worden war oder ob wir eingeklemmt waren. Das war das erste Mal, dass ich wirklich Angst hatte. Die Druckwelle hat mich durchgeschüttelt. So einen Knall hatte ich noch nie gehört.

Als wir endlich raus kamen, sahen wir das, was man sonst nur in den Nachrichten sieht: zerbrochenes Glas, Rauch, Feuer. Eine Rakete hatte ein Gebäude nur 400 Meter hinter unserem Hotel getroffen, genau dort, wo sich die Schwulenbar Mesh befindet.

Ein unerwarteter Abgang

Ich konnte nicht mehr schlafen. Ich verbrachte die Tage draußen vor dem Hotel, in der Nähe der Notunterkunft. Zu sehen, wie die Leute wieder ihrem Alltag nachgingen, kam mir total unwirklich vor. Ich wollte einfach nur nach Hause. Aber alle Flüge waren gestrichen.

Am Dienstagmorgen, nach fünf schlaflosen Nächten, kam endlich der Anruf. Ich hatte fünf Minuten Zeit zum Packen. Ein Boot würde mich nach Zypern bringen.

Ich hatte nicht mal Zeit, Medikamente gegen Seekrankheit zu kaufen. Während ich draußen wartete, erzählte ich einer Frau davon. Sie zögerte nicht. Sie fragte mich, was ich brauchte, sprang in ihr Auto und brachte mir Medikamente und Snacks aus einer Apotheke und einem Supermarkt. Ich war sprachlos.

Menschliche Güte in den dunkelsten Momenten

Ich tippe das hier auf einem Schiff auf dem Weg nach Zypern. Die Fahrt dauert 20 Stunden.

Ich bin wegen der Pride hier, um Spaß zu haben und die LGBT+-Community zu unterstützen. Ich hätte nie gedacht, dass ich auf einem Evakuierungsboot landen würde.

Aber was mir in Erinnerung bleibt, ist nicht die Angst, sondern wie Fremde sich gegenseitig geholfen haben. Wie die Rainbow Family unter Druck zusammenhielt. Das hat mir Hoffnung gegeben. Das hat mich stolz gemacht.

Ich komm auf jeden Fall wieder. Das ist sicher.

— Euer Eli